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zur 200. Badesaison im Ostseebad Boltenhagen

Man schrieb das Jahr 1793, als Herzog Friedrich Franz I. das Ostseebad Heiligendamm begründete. Baden in der See kam in Mode. Das nahe Doberan bot Unterkunft und ein geselliges Leben.
In Boltenhagen war an solcherlei Treiben nicht zu denken. Das Leben nahm an dem unberührten wie unbekannten Fleckchen Erde seinen bäuerlichen Gang. Nur ein Jahrzehnt später sollte sich das ändern. Auf Schloss Bothmer zu Klütz ließ der Graf an einem sommerlich warmen Junitag die Pferde einspannen. Auf dem holprigen Sommerweg ging es nach Bol­tenhagen. Der gräflichen Kutsche folgte ein eigen­tümliches Gefährt. So etwas hatte man hier noch nicht gesehen, es war ein Badekarren. Man entschied sich für den flachen Strand am Rede­wischer Ufer.  Ein Pferd zog den Karren bis zur Achshöhe ins Was­ser. Durch den Karren mit einer Plane vor unliebsa­men Beobachtern geschützt, nahm die Grafenfami­lie zunächst etwas zurückhaltend, dann aber doch mutig und genüsslich das erste Bad in der Boltenha­gener Bucht.

Nachdenklich, die Mütze in den Nacken schiebend und den Bart kraulend, sahen einige Einheimische dem ungewohnten Treiben zu. Noch nie waren sie auch nur auf die Idee gekom­men, freiwillig den großen Zeh ins Ostseewasser zu tauchen. Freilich, beim Einholen der Netze und An­landen der Boote hatte schon mancher Bekannt­schaft mit dem kühlen Nass gemacht. Doch das hier, ne, das wollte zunächst nicht in ihren Kopf. Die Grafenfamilie hingegen hatte Gefallen am Bad gefunden. So wurde der Badekarren gleich beim Schulmeister untergestellt, für das nächste Bad.

Die Redaktion

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